Zukunft? Zukunft!
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Die Zukunft ist für viele Menschen keine Verheißung mehr, sondern eine Bedrohung. Denn Geschichte schreitet nicht zwangsläufig voran in Richtung des Besseren, wir müssen mit dem Verlust der Zukunft, des Fortschrittsnarrativs auskommen.“ Der Soziologe Andreas Reckwitz berichtet in einem Spiegel-Gespräch (42/2024) über kollektive Fortschrittshoffnungen, die sich in subjektive verwandelt haben: Das Individuum erwartet von seinem eigenen Leben Verbesserung, die Gesellschaft will insgesamt nicht so recht daran glauben. Pessimismus macht sich breit.
Was heißt das für die nächsten 25 Jahre? Um ehrlich zu sein, wir wissen es nicht.
Als Nicolaus Steenken und ich vor 25 Jahren METRUM gründeten, gaben wir uns selbst ein paar Jahre, um das kleine Zwei-Mann-Unternehmen zu etablieren. Darüber hinaus machten wir uns zur Zukunft keine Gedanken, wird schon irgendwie. Wir waren beide Anfang, Mitte 40, hatten einschlägige berufliche Erfahrungen in der Beratung von Unternehmen und hier und da in der Kultur gewonnen. Die Idee war, die „undermanaged industry“ der Kulturbetriebe mit modernen Managementmethoden zu inspirieren, sich mit ihnen über ihre mittel- und langfristige Strategie auszutauschen und zu den wesentlichen unternehmerischen Themen einen Beitrag zu leisten. Schließlich hatten und haben Kulturinstitutionen nicht selten mittelständische Größe und Struktur – und so wie der Mittelstand auch ähnliche Sorgen und Herausforderungen in den Bereichen Organisation, Personal, Finanzierung, Marketing und Strategie. Dazu hatten wir etwas zu sagen.
Aber entscheidend für die Unternehmensgründung 1999 war – und so ist es bis heute: Wir finden Kunst und Kultur wichtig und sind leidenschaftlich daran interessiert. Beide spielen wir ein Instrument, gehen regelmäßig ins Konzert, Theater, in die Oper oder ins Museum. Unternehmerische Themen zu bearbeiten und sie mit Inhalten der Kunst, Musik, der Sprache in Verbindung zu bringen, erscheint uns ungemein reizvoll. Wir sind im Gespräch auf Augenhöhe mit Intendanten, Museumsdirektoren, Künstlern und vielen Menschen, die dazu beitragen, dass Kunst und Kultur den gesellschaftlichen Stellenwert, den sie verdienen, behalten können.
Wir hatten keinen Plan, wie lange unser „Start-up“ bestehen bleiben sollte. „We work for fun and profit“, formulierte Nico unsere (interne) Mission. Und beides ist aufgegangen – die Freude an den Themen, an den Herausforderungen, an denen wir mitwirken können, und an den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. Aber auch, dass sich metrum zu einer bescheidenen und regelmäßigen Einkommensquelle für uns und unser größer werdendes Team entwickeln konnte. Unsere eigenen Vorgaben, unabhängig zu bleiben, kein Fremdkapital aufzunehmen, aufwendige Fixkosten zu vermeiden und wie ein ordentlicher Kaufmann zu handeln, haben wir bis heute einhalten können. Mein Partner Nicolaus Steenken wechselte 2016 in die Wissenschaft, unser Unternehmen wurde von ihm wesentlich geprägt.
Wie lange dauern 25 Jahre? Es kommt auf die Perspektive an: rückblickend aus heutiger Sicht eine unfassbar kurze Zeitspanne, in der sehr viel in sehr dichten Abständen passiert ist. Für die Gründer und das METRUM-Team eine Erfolgsgeschichte.
Und mit Blick nach vorne auf die nächsten 25 Jahre? Die Unsicherheiten der Weltlage nehmen Einfluss auf unseren Optimismus und das bereits erwähnte Fortschrittsnarrativ. Wir werden auch diese Krise bewältigen, davon bin ich überzeugt. Aber dafür brauchen wir die Musik, die Kunst und die Kultur.
Navid Kermani sagte in seiner Rede zur Saisoneröffnung des Gewandhaus Leipzig am 6. September 2024: „Oft geht es mir so, wenn ich in einem Konzert sitze, besonders in einer Philharmonie, dass ich für einen oder zwei Momente glaube, der Anfang einer besseren Welt sei gemacht.“ Kultur schafft den Raum, in dem alles möglich scheint, in dem Spontanes fühlbar, Neues hörbar und Unvorhergesehenes sichtbar wird, in dem man sich auf gemeinschaftliche Erfahrungen einlässt und sich doch auch selbst vergessen kann. Für diese Kunst und Kultur wollen wir uns auch in Zukunft einsetzen.
Peter Gartiser
Gründer und Partner