Von Glühwürmchen in düsteren Zeiten

Nushin Atmaca

Nushin Atmaca hat Islam- und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Kulturen des Kuratorischen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin. Zuvor war sie u. a. als Mitarbeiterin für Diversitätsentwicklung am Museum für Islamische Kunst, ebenfalls Teil der Staatlichen Museen zu Berlin, tätig.

Die Zukunft sieht ziemlich düster aus. Die letzten Ergebnisse aus Europa- und Landtagswahlen kündigen zwar Veränderungen an, aber keine, die Mut machen. Das, was einige von uns als die Errungenschaften der letzten Jahre betrachten – wie ein höheres Bewusstsein für Diversität, eine gendersensible Sprache, der Kampf gegen die Klimakrise – empfinden andere als Bedrohung ihres Lebensstils, ihrer Weltsichten, ihrer Identität. Das Wahlverhalten meißelt die empfundene Bedrohung in Zahlen und dokumentiert die verbittert geführten Debatten um grundlegende Veränderungen. Es scheint all jenen, die sich für diese Veränderungen einsetzen, entgegenzuschreien: Nicht mit uns! Aber auch: Nicht mit euch! Ihr habt in unserer Welt keinen Platz. Nicht nur die Zukunft sieht düster aus, die Gegenwart ist es bereits, zumindest für diejenigen, für die Diskriminierungserfahrungen zum Alltag gehören.

Können Kulturinstitutionen wie Museen ein wenig von dem sprichwörtlichen Licht ins Dunkel bringen? Institutionen, denen eine hohe Glaubwürdigkeit attestiert wird. Institutionen, die verschiedene Perspektiven zusammenbringen und zu neuen Formaten des Austauschs einladen können. Gleichzeitig sind Museen Orte, die gefordert sind, sich mit kolonialen und rassistischen Vergangenheiten auseinanderzusetzen und sich einer diversen Gesellschaft zu öffnen. Alte Strukturen erweisen sich als resilient; Macht abzugeben ist schwer. Nicht mit uns und nicht mit euch. Gilt das auch für den Kulturbetrieb?

In meiner Arbeit am Museum Europäischer Kulturen (MEK) beobachte ich, dass es vor allem einzelne Projekte und Initiativen sind, die gleich Glühwürmchen kleine Lichter in die Düsterkeit senden. Ist es manchmal hilfreicher, Diversitätssensibilität und antirassistisches Engagement in themenbasierte Arbeit einzuweben, anstatt es direkt in den Projekttitel zu schreiben? Vielleicht lässt das die eigentliche Aufgabe, das tatsächliche Anliegen, nämlich ein diskriminierungsarmes Arbeiten im Museum, leichter umsetzbar und weniger verunsichernd erscheinen. 

Am MEK, das in diesem Jahr ebenfalls 25 Jahre alt geworden ist, gibt es gleich mehrere Glühwürmchen: Die Präsentation „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ zeigt die Geschichte von Menstruationsprodukten, beleuchtet historische und aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse und stellt faktenbasiertes Wissen zur Verfügung. Der Projektraum „Áimmuin. Sámisches Kulturerbe wieder-verbinden“ ist gemeinsam mit sámischen Partner*innen aus Nordeuropa entstanden. Alltägliche und sakrale Objekte in der Sammlung des MEK werden gemeinsam erforscht, sámische Kunsthandwerker*innen fertigen neue Dinge an, die im Dialog mit den historischen Gegenständen stehen. Und die Installation „Muslimische UnSichtbarkeiten“ ist aus einem Projekt hervorgegangen, das sich Spuren europäischer Muslim*innen in der Sammlung des MEK widmet und diese sichtbar macht. Allen drei Projekten ist gemeinsam, dass sie marginalisierte Perspektiven beleuchten und diese für sich sprechen lassen. Es wird Raum abgegeben, in den Ausstellungsräumen wird Platz gemacht. Die so unnahbar scheinende Institution tritt einen Schritt zurück, sie lässt sich befragen und öffnet sich dem Dialog.

Solche Projekte gibt es in vielen Häusern. Sie leuchten im Dunkeln. Sie können ermutigen, neue Impulse setzen, zum Nachdenken anregen, an vermeintlichen Wahrheiten rütteln. Mit uns und mit euch? Vielleicht wird die Zukunft doch nicht ganz so düster.

 

Nushin Atmaca hat Islam- und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Kulturen des Kuratorischen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am Museum Europäischer Kulturen – Staatliche Museen zu Berlin. Zuvor war sie u. a. als Mitarbeiterin für Diversitätsentwicklung am Museum für Islamische Kunst, ebenfalls Teil der Staatlichen Museen zu Berlin, tätig.