Mehr Zukunft bitte!
Birgit Aufterbeck Sieber
Birgit Aufterbeck Sieber war von 2015 bis 2022 Präsidentin der Stiftung Luzerner Theater. Sie gewann Benedikt von Peter und Ina Karr erstmals für die Intendanz und trieb das Projekt einer neuen Theaterinfrastruktur maßgeblich voran. Aufterbeck wurde 1968 in Ratingen geboren und studierte in Bonn Geschichte, Politische Wissenschaften und Kunstgeschichte, bevor sie den elterlichen Verlag nach einem erfolgreichen Turnaround verkaufte. Sie lebt in Hergiswil bei Luzern und engagiert sich als Stiftungsrätin für Kultur und als Verwaltungsrätin für KMUs.
Mit „Zukunft“ feiert Metrum 25 Erfolgsjahre. Fasst man Zukunft weitreichend, beispielsweise als 4 × 25 Jahre, wird die Frage interessant, wo Zukunft bereits heute erkennbar wird. Wer das außerordentliche Glück hat, ein Theater mitentwickeln zu dürfen, begegnet der Zukunft von gestern im historischen Bau und legt heute den Grundstein für die Zukunft von morgen.
47.05059° N, 8.30566° O. Wir befinden uns auf dem Theaterplatz an der Reuss in Luzern, in pulsierender Lage. Auf diesem vergleichsweise kleinen Perimeter soll das sanierungsbedürftige Theatergebäude von 1839, die älteste, durchgehend professionell genutzte Spielstätte der Schweiz und die einzige Dreispartenbühne der Zentralschweiz, tiefgreifend um- und weitergebaut werden. Das Luzerner Theater erhält eine exzellente künstlerisch-betriebliche Zukunftsperspektive für das 21. Jahrhundert.
Wie radikal dabei das Thema Offenheit zur Richtgröße erklärt und auch eingelöst wird, belegt bereits der anonyme und zweistufig durchgeführte Architekturwettbewerb mit insgesamt 128 Projekteingaben. Das gekürte Siegerprojekt „überall“ der Zürcher Ilg Santer Architekten lässt die tradierte Vorstellung eines geschlossenen Kulturtempels weit hinter sich und nutzt den identitätsstiftenden Altbau überraschend als Spolie. Jedes der vier Bauteile wirkt als Einladung an die Bevölkerung: Das Herzstück, der Zuschauerraum des alten Stadttheaters, wird als vertikales Foyer öffentlich. Sämtliche Publikumsräume öffnen sich zur Stadt. Von allen Seiten zugänglich, macht der Entwurf Angebote für alle: für Theaterbesuchende, Theatermachende, Nichttheatergänger und Passanten. Theater sei mehr als eine reine Produktionsmaschine, hat es der Meisterarchitekt Arno Lederer einmal formuliert. Es sei auch ein Ort, der eine gewisse Festlichkeit ausstrahlen darf, der zum Verweilen und Reflektieren einladen soll.
Diese Ausrichtung auf Angebote für alle liegt nicht nur in der betrieblichen Vision begründet, sondern auch in der DNA der Schweiz: der grundlegenden Haltung, demokratisch einen Konsens zu finden, diesen zu akzeptieren und zu verwirklichen. Wer mit öffentlichen Mitteln ein Theater baut, muss diejenigen darüber abstimmen lassen, für die es gebaut wird: alle.
Nachdem Stadtrat, Kantonsregierung, Theater und Kulturpartner, Denkmalschutz, Theaterclub, Jugendparlament und Quartiervereine grünes Licht für das Theaterprojekt gegeben haben, folgt nun mit einer Volksabstimmung die eigentliche Nagelprobe. Davor haben alle Respekt, aber besonders für einen Theaterbau ist sie richtig und wichtig. Die alles entscheidende Mitbestimmung steigert das Engagement für das Bauvorhabens und dessen Akzeptanz, artikuliert und erfasst kritische Stimmen, auf die wieder reagiert werden kann. In Luzern wuchs das Vertrauen in die Planungsarbeit, als das Betriebskonzept extern überprüft und bestätigt wurde. Gebäudevolumen und Fassadengestaltung wurden weiterentwickelt, nachdem der erste Wurf stark zu reden gab. Es erleichtert die weitere Planung ungemein, frühzeitig zu wissen, dass die Bevölkerung das neue Theater will oder eben nicht.
Die aktuelle gesellschaftliche Grundstimmung verschafft großen Respekt vor einer möglichen Ablehnung. Der strahlende Mut der 90er- und Nullerjahre, der in Luzern das bahnbrechende Kultur- und Kongresszentrum und noch dazu ein Fußballstadion ermöglichte, scheint einer matten Skepsis gewichen. Zukunftsforscher machen aus, dass eher besorgte Themen wie Technologie, globale Krisen und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Zudem wirkt die in Corona-Jahren erlebte Vereinsamung noch nach. Doch gerade hier konnte Theater bereits sehr viel Wertvolles leisten: in Gemeinschaft Kunst zu erleben, Empathie zu entwickeln, abseits vom Tagesgeschehen auszuloten, wie wir mit unseren verschiedenen Überzeugungen friedlich miteinander umgehen können. Und wer persönlich keine Vorstellung besucht, schätzt Theater als grundsätzliches Angebot seiner Stadt durchaus.
Anfang 2025 stimmen die Luzernerinnen und Luzerner über ihr Neues Luzerner Theater ab. Sie werden sich diese Zukunft nicht nehmen lassen.
Birgit Aufterbeck Sieber war von 2015 bis 2022 Präsidentin der Stiftung Luzerner Theater. Sie gewann Benedikt von Peter und Ina Karr erstmals für die Intendanz und trieb das Projekt einer neuen Theaterinfrastruktur maßgeblich voran. Aufterbeck wurde 1968 in Ratingen geboren und studierte in Bonn Geschichte, Politische Wissenschaften und Kunstgeschichte, bevor sie den elterlichen Verlag nach einem erfolgreichen Turnaround verkaufte. Sie lebt in Hergiswil bei Luzern und engagiert sich als Stiftungsrätin für Kultur und als Verwaltungsrätin für KMUs.