Museumszukünfte

Christina Ludwig

Christina Ludwig hat Volkskunde/Kulturgeschichte, Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Jena studiert und in Kulturanthropologie an der TU Dortmund promoviert. Nach Museumsstationen in Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen ist sie seit 2020 Direktorin des Stadtmuseums Dresden. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Transformation und Strukturentwicklung in der öffentlichen Kulturverwaltung bzw. in Museen (ländlicher und urbaner Raum), Cultural Leadership und die Implementierung gesellschaftlicher Diskurse in die museale Arbeit.

Schon einmal was von BANI gehört? Das in den 2020er-Jahren entwickelte Akronym setzt sich aus den Begriffen Brittle (spröde, brüchig), Anxious (verunsichert), Non-linear und Incomprehensible (unverständlich) zusammen und beschreibt eine Welt der Gegenwart und Zukünfte, die zunehmend von chaotischen Verhältnissen geprägt ist, etwa durch Pandemien, Kriege und Naturkatastrophen.

Doch was hat ein solches Szenario mit Museen zu tun? Modelle wie BANI helfen auch Kultureinrichtungen, ihre Schwächen (ja, die gibt es) zu erkennen und Strukturen zu schaffen bzw. einzufordern, um sie bestmöglich zu beseitigen. Voraussetzung für diesen Modus ist die Bereitschaft der Führungskräfte von heute und (über)morgen, sich auf die variablen Situationen einzulassen und mögliche Lösungen für ihre individuellen Ziele zu finden. Angesichts multipler Krisen ist dies kein leichtes Unterfangen, aber Museen aller Größen und Formen sind auch nicht dem Chaos ausgeliefert – wenn sie es wollen.

Und dieser Prozess betrifft ganz wesentlich auch die Führungskräfte – vor allem die Next Generation. Zu ihren Aufgaben gehört es, sich immer wieder selbst zu hinterfragen: Welche Ängste habe ich? Welche Fähigkeiten fehlen mir? Wie kann ich Mut generieren? Wie finde und binde ich Verbündete? Spezifische Netzwerke und Allianzen in geschützten Räumen helfen, die anstehenden Aufgaben selbstschonend zu bewältigen (eigene rote Linien sind für eine gut funktionierende Cultural Leadership unabdingbar). Ein proaktiver Fokus auf die eigene Vernetzung ist ein wichtiger Garant für mentale Stabilität und auch dafür, die unvermeidlichen Veränderungsschmerzen im persönlichen Verantwortungsbereich aushalten zu können.

Jede Veränderung bringt Unannehmlichkeiten mit sich, das ist unvermeidlich. Selbst eine auf viele Menschen relativ statisch wirkende Kultureinrichtung wie das Museum mit seinen tief verwurzelten Organisationsmustern und -logiken agiert in einem sich verändernden und an die Umwelt anpassenden Geflecht von Führungs- und Teamdynamiken sowie kollektiven und individuellen Werten (auch wenn öffentliche Träger diesen Umstand oft ausblenden). Eine grundlegende Fähigkeit des Museumsmanagements der Zukünfte ist es, sich auf diese mitunter disruptiven Umstände einzustellen und Rahmenbedingungen in der Praxis zu definieren und zu etablieren.

Arbeitsstrukturen sollten weniger von situativen Ad-hoc-Detailentscheidungen und mehr von Moderationssituationen mit kühlem Kopf und dem Blick von außen (und nach außen) geprägt sein. Denn dieses „Draußen“ besteht aus pluralistischen Gesellschaften mit oft mehr als 25 sehr unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen an Kultureinrichtungen. Diese Sichtweisen in die Organisationsstrategie zu integrieren, ist eine aktuelle und zukünftige Hauptaufgabe der Museen, wenn sie gesellschaftlich relevant bleiben wollen. Entscheidend ist dabei vor allem der Weg zum Ziel.

Bei transformationsorientierten Museumsprojekten geht es also zunehmend nicht darum, in kurzer Zeit einen möglichst publikumswirksamen Effekt zu erzielen. Vielmehr geht es um die nachhaltige Entwicklung einer Organisation, deren Aufgabe es ist, die gesammelte Kunst und Kultur nutzerorientiert zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln. Und das kann oft nur außerhalb der Komfortzonen gelingen, in diesen Bereichen sind die Menschen meist unsicher und verängstigt. Hier muss in Zukunft noch mehr Empowerment ermöglicht werden: idealerweise durch transformationsorientierte, visionäre und gut vernetzte Museumsmanagerinnen und -manager.

Christina Ludwig hat Volkskunde/Kulturgeschichte, Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Jena studiert und in Kulturanthropologie an der TU Dortmund promoviert. Nach Museumsstationen in Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen ist sie seit 2020 Direktorin des Stadtmuseums Dresden. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Transformation und Strukturentwicklung in der öffentlichen Kulturverwaltung bzw. in Museen (ländlicher und urbaner Raum), Cultural Leadership und die Implementierung gesellschaftlicher Diskurse in die museale Arbeit.