Zukunft – sie überrascht, sie überrollt uns.

Beat Fehlmann

Beat Fehlmann hat ein umfangreiches Musikstudium mit Abschlüssen in den Fächern Klarinette, Dirigieren und Komposition absolviert. Seit einigen Jahren konzentriert er sich hauptsächlich auf administrative Tätigkeiten. 2018 übernahm er die Intendanz der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, und seit 2020 unterrichtet er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt das Fach Orchestermanagement.

Wer hätte 9/11 oder die Coronapandemie vorhergesehen? So etwas hielt ich schlicht nicht für möglich. Aber was sagt das über die Zukunft? Müssen wir uns ihr immer mit Angst und Skepsis nähern?

Ist es wirklich so, dass sich die Zukunft durch Schreckensszenarien definiert?

Die verbreitete Skepsis und der Respekt vor ihr scheinen das nahezulegen. Zukunft ist also maximal anstrengend. Oder etwa nicht? Schließlich passiert sie auch ohne mein Zutun. Zum Glück! Ich kann einfach abwarten.

Dennoch, seien wir ehrlich: Früher war doch alles besser, oder?

Die Gegenwart jedenfalls kann kein Zustand sein, den man sich wünscht. Das fühlt doch jeder so, richtig? Also, brauchen wir dringend eine Exit-Strategie. Optimismus oder Ignoranz – beides ist gleichermaßen beliebt. Zynisch, wer glaubt, sie wären das Gleiche. Glücklich ist, wer vergisst … nennen wir es einfach Resilienz.

Der Weg dorthin? Schwankt zwischen Sinnhaftigkeit und Abstumpfung.

Also bleibt uns nur die Flucht in die Vergangenheit? Ganz nach der Logik der eigenen Wahrheit feiert die im Jahr 1575 erschienene Schrift von Johann Fischart mit dem wunderbaren Titel „Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitternung“ ein Comeback. Hanebüchene Übersetzungsfehler – und doch ein ausgedehnter Lesegenuss.

War ja klar, dass es dazu kommen musste.

Aber auch Ablenkung ist endlich. Leider. Tendenziell beherrschen wir Verdrängung und Relativierung besser als eine differenzierte Einschätzung der Zukunft. Doch Prognosen sind schwer, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Aber das eigentliche Problem beginnt bereits in der Gegenwart: Die Möglichkeit, auf meiner eigenen Sichtweise – und sei sie noch so verschroben – zu bestehen und vom Umfeld zu erwarten, dass es mich damit respektiert, unterstreicht unsere Selbstbezogenheit. Ein ausgeprägtes Ich-Narrativ hilft, vielen Anstrengungen zu entkommen.

Aber wie lange kann das gut gehen?

Wird Mut nicht meistens belohnt? Vielleicht, aber Mut zur Zukunft bedeutet eben auch, den ungewissen Ausgang zu akzeptieren. Denn es gibt keine Garantien. Neben Flucht oder Resignation bleibt uns nur ein dritter Weg: das bewusste Gestalten.

Doch auch das ist nicht einfach.

Purer Aktivismus, der lediglich der Ablenkung dient? Das hatten wir schon. Egal ob wir uns die Zukunft schön denken oder nicht: Selbstwirksamkeit macht mindestens zwanzigmal glücklicher. Und wenn wir das Falsche tun? Das spielt keine Rolle, denn auch im Nichtstun sind wir aktiv. Also lieber selbst die Initiative ergreifen.

Aber mal ehrlich:

Mit diesem Tätigkeitsdrang haben wir unseren Planeten bereits in eine prekäre Situation gebracht. Vom Nichtstun wird es nun auch nicht besser. Hätten wir es damals nur sein lassen …

Oh nein, jetzt auch noch die Apfel-Story.

So kommen wir nicht weiter. Aber dennoch, während wir hier diskutieren: Die Zukunft hat längst begonnen.

Beat Fehlmann hat ein umfangreiches Musikstudium mit Abschlüssen in den Fächern Klarinette, Dirigieren und Komposition absolviert. Seit einigen Jahren konzentriert er sich hauptsächlich auf administrative Tätigkeiten. 2018 übernahm er die Intendanz der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, und seit 2020 unterrichtet er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt das Fach Orchestermanagement.