Wie soll der Kulturbereich mit dem Thema Mittelkürzung umgehen?

Ein Impuls von Dr. Benjamin Andrae

Wir bei METRUM sind uns sicher: Kultur ist ein wertvolles Gut und sollte umfänglich von Bund, Ländern und Kommunen gefördert werden. Mit öffentlichen Mitteln unterstützte Theater, Museen, Orchester, Bibliotheken und andere Kulturinstitutionen sind kein „Luxus“, den sich die öffentliche Hand nur leisten sollte, wenn mehr als genug Geld da ist – sondern sie sind ein essenzieller Ausdruck unserer gemeinsamen finanziellen Anstrengungen für ein sinnvolles Leben und eine offene Gesellschaft.

Aber es ist auch sicher: Was Bund, Länder und Kommunen sich an inflationsbereinigten Ausgaben leisten können, fluktuiert. Auch wenn man hoffen kann, dass diese Kurven insgesamt dank dem gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt oft nach oben gehen, tun sie das nicht auf geraden Linien, sondern auch einmal im Zick-Zack.

Für die Kulturpolitik, die öffentlich geförderten Kulturorganisationen und alle anderen an diesem Diskurs beteiligten Personen – wie uns – entsteht dann sofort die Frage: Wie sollte man mit daraus resultierenden Einsparforderungen für den Kulturbereich umgehen?

Das Thema ist alles Andere als einfach: Für viele Kulturinstitutionen sind die öffentlichen Zuwendungen die mit Abstand größte Finanzierungsquelle, und es ist für viele völlig selbstverständlich – und im Sinne eines vernünftigen Eigeninteresses auch richtig – mit sehr viel Energie für deren Steigerung und gegen deren Rückgang zu kämpfen.

Aber was passiert, wenn diese Haltung auf Einsparzwänge in öffentlichen Haushalten trifft? Wie können Politik, öffentliche Verwaltung und Kulturszene in solch einer Konstellation gemeinsam weiterkommen, ohne direkt in eine destruktive und öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung zu geraten?

Ein Ansatz, den man manchmal hört, ist, bei der Förderung von Kultur nie einzusparen, weil Kultur so ein wertvolles Gut ist. Auch wenn Letzteres unbestritten ist, scheint uns dieser Ansatz in vielen Fällen zu kurz zu greifen, denn es gibt keine objektiv nachvollziehbaren Gründe, warum andere Leistungen der öffentlichen Hand wie Sozialleistungen, Wissenschaft, Bildung oder Schwimmbäder nicht genauso wertvoll sind.

Ein zweiter Ansatz ist es, die Kompensierung der Einsparungen durch andere Einnahmequellen zu fordern – sei es durch Fundraising und Sponsoring, durch Projektförderungen oder durch gezieltere Preispolitik. Diesem Ansatz liegt eine wichtige und unserer Einschätzung nach richtige Idee zugrunde: Kulturorganisationen sollten langfristig versuchen, all diese Säulen auszubauen, um unabhängiger von öffentlichen Mitteln zu werden.

Zum direkten Ausgleich von Einsparungen ist jedoch die Diversifizierung von Einnahmequellen unserer Erfahrung nach wenig geeignet – erstens, da es erst einmal Aufwand verursacht und mehrere Jahre dauert, bevor hier substanzielle Erfolge erzielt werden können, und zweitens, weil eine starke kausale Verbindung zwischen Einsparungen und Drittmittelakquise oft abschreckend für externe Partner und demotivierend für die eigenen Leute wirkt.

Ein dritter Ansatz ist es, zu behaupten, dass es in vielen Kulturinstitutionen Möglichkeiten gibt, durch interne Optimierungen Kosten auch ohne Programmkürzungen zu senken. Dieser Ansatz ist schwierig: Sicher gibt es in einigen Organisationen noch Möglichkeiten, durch clevere Umstellungen solche Optimierungen zu erreichen, aber sowohl Kulturverwaltungen als auch externe Berater können Prozess- und Strukturoptimierungen in der Regel nur in der Zusammenarbeit mit der Expertise vor Ort identifizieren und entwickeln. Diese Kooperation ist aber quasi unmöglich, wenn die Optimierungen direkt 1:1 zu Förderkürzungen führen und der Organisation vor allem Arbeit machen.

Ein vierter Ansatz ist der Rasenmäher: Alle Budgets des betroffenen öffentlichen Haushalts werden um den gleichen Prozentsatz gekürzt und im Kulturbereich werden analog die Zuwendungen an alle Organisationen und alle Töpfe um genau diesen Prozentsatz gekürzt. Gegen diesen Ansatz kann auf den ersten Blick eigentlich niemand etwas sagen. Auf den zweiten Blick wird aber, denken wir, deutlich, dass das für die Aufteilung der Einsparung auf Einzelposten im Kulturbereich nicht sinnvoll ist – einfach, weil es völlig blind ist. Vielleicht gibt es Kulturorganisationen, die mit einer gewissen Einsparsumme ganz gut umgehen könnten, und andere, deren gesamte Funktionsweise bereits schnell in Frage stehen würde. Und vielleicht ist es besser, ein Angebot ganz einzustellen, anstatt viele Organisationen ernsthaft zu beschädigen.

Weil also diese vier Ansätze so pauschal kein geeigneter Umgang mit dem Thema sind, bleibt nur noch ein Weg, den auch einige schon gehen: ein konstruktiver Dialog, in dem Politik, Kulturverwaltung und Kulturszene sich gemeinsam und ergebnisoffen abstimmen, wie mit Einsparungen möglichst gut umzugehen ist. Man merkt schon am Ende des letzten Absatzes, wie schwierig das ist. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Organisation freiwillig mehr spart, damit eine andere weniger sparen muss. Und es ist fast unmöglich, sich vorzustellen, dass eine Organisation zustimmt, dass sie abgewickelt wird, damit die anderen nicht sparen müssen. Die Argumente werden immer ein Stück weit parteiisch sein. Das ist im Grunde nachvollziehbar, man kann von keiner Organisation die absolute, objektive Selbstlosigkeit erwarten.

Aber trotzdem gibt es bestimmte Bedingungen, wie ein solcher Dialog bessere Chancen hat, zu funktionieren:

  • Die Einsparzwänge im Kulturbereich sollten im Regelfall nicht prozentual viel größer sein als die Einsparungen in den meisten anderen Bereichen. Wenn das doch so wäre, erschiene es eher berechtigt, dass die gesamte Kulturszene gegen die darin ausgedrückte Geringschätzung der Kultur protestiert; und das vertrüge sich nicht gut mit einem parallellaufenden konstruktiven Dialog.
  • Alle Teilnehmenden müssen sich einig sein, dass sie, solange der Dialog läuft, nicht öffentlich Stimmung machen und keine Informationen zum laufenden Prozess verbreiten.
  • Die Faktengrundlage muss möglichst neutral sein. Der Dialog sollte sich darum drehen, wie es trotz der misslichen Lage in Zukunft am besten laufen könnte, und nicht darum, welche faktische Darstellung der IST-Situation durch welche beteiligte „Partei“ richtig ist. Eine externe Partei, die als „honest broker“ und als fachkompetent wahrgenommen wird, kann dabei hilfreich sein.
  • Der Dialog muss flexibel und auf Augenhöhe stattfinden. Weder Politik, Kulturverwaltung noch Kulturorganisationen dürfen vorgefertigte Lösungen mitbringen, die sie nicht bereit sind, aufzugeben.
  • Eine externe Moderation im Sinne einer Mediation kann helfen, Missverständnisse und unnötige Konflikte zu vermeiden. Es wird sicher immer auch Konflikte geben, die nicht vermieden werden können, weil sie eben nötig sind. Aber mit einer guten Moderation hat man die Energie, um genau diese nötigen Konflikte ohne Ablenkungen anzugehen.
  • Es muss von Anfang an allen klar sein, wer am Ende welche finale Entscheidung treffen wird, denn es ist unwahrscheinlich, dass am Ende ein von allen zu 100% mitgetragener Konsens in allen Aspekten entsteht, und es muss trotzdem entschieden werden. Aber wenn diese Entscheidungen dann vor dem Hintergrund einer umfänglichen, fachlichen Diskussion getroffen werden, sind sie besser erklärbar und sie sind vor allem bessere Entscheidungen!

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Thema bzw. Impuls? Dann schreiben Sie Benjamin Andrae gerne eine E-Mail an .