Freie Szene: Wie Raumförderung auf einen Mangel der Projektförderung reagiert

Ein Impuls von Klara Lyssy (Mitarbeiterin im Bereich Projektkoordination)

Nur Projektförderung greift oft zu kurz

Die Freie Szene ist ein unverzichtbarer und impulsgebender Teil der deutschen Kulturlandschaft und trägt maßgeblich zu deren Vielfalt bei. Sie wird von der öffentlichen Hand primär durch Projektförderung im Sinne der Förderung künstlerischer Produktionen unterstützt. Seien es Einzelkünstler:innen, Kollektive, Initiativen oder Vereine: überwiegend sind sie für ihr Arbeiten auf Projektfördermittel von Kommunen, Ländern und dem Bund angewiesen.

Projektförderung erfolgt als Zuschuss in dem Maße, in dem Mittel zur Umsetzung eines Vorhabens fehlen. Ein Projekt muss dafür bereits vorimaginiert sein, und das künstlerische Ergebnis und der Prozess dahin müssen konkret durchdacht, geplant und kostenseitig kalkuliert sein. Ein Projekt muss Expert:innenjurys überzeugen, es verfolgt klare Ziele, der Förderzeitraum ist definiert.

Ein häufiges Dilemma: Projektförderungen schließen formal tagesgeschäftsähnliche Vorhaben aus. Es ist so kaum möglich, Förderung für jene Dinge zu bekommen, die Grundstrukturen erhalten und eher ergebnisoffene, künstlerische Prozesse ermöglichen. Gerade für Vereine, Initiativen oder Netzwerkvorhaben der Freien Szene ist das ein Problem: Sie können den nachhaltigen Erhalt und Aufbau der eigenen Strukturen nicht gut in Projektförderungen abbilden.

Was es wirklich braucht

Wonach sich die Freie Szene die Finger leckt, sind quasi-institutionelle Förderformate, also ergebnisoffene, langfristige Förderungen, die diese Grundstruktur im Kern sichern und die besser mit den häufig experimentellen, nicht immer linearen, künstlerischen Arbeitsprozessen vereinbar sind.

Zum Vergleich: Institutionell geförderte "Häuser", seien es bspw. Theater, Museen, Opern oder Konzerthäuser, haben genau das. Sie verfügen über festes Personal, über langfristig angelegte Förderperioden, über Infrastruktur und über Räume. Damit haben sie Spielraum für künstlerische Entwicklung mit offenem Ausgang und für langfristige Veränderungsprozesse.

Grundlegender Bestandteil institutioneller Förderung ist die gesicherte Ressource Raum, sei es als Arbeits- bzw. Probenraum oder Aufführungs- bzw. Ausstellungsraum.

Gerade die Suche und Sicherung von Räumen ist für kleinere Player der Freien Szene v.a. im urbanen Raum ein Problem und ein großer Kostenfaktor: Der Bedarf ist hoch, gleichzeitig besteht ein Mangel an geeigneten, finanzierbaren Orten. Hier zeigt sich das Dilemma der Projektförderung besonders deutlich: Eine kurzfristige Anmietung ist eher unwahrscheinlich, weil für Vermietende nicht ausreichend attraktiv. Außerdem können Initiativen und Vereine, die bereits über Räumlichkeiten verfügen, diese häufig nicht über die Projektförderung abrechnen - weil dem Projekt nicht eindeutig zuordenbare Overhead-Kosten kaum anrechnungsfähig sind. Räume für Kulturarbeit zu sichern ist also doppelt schwierig.

Eine zentrale Ergänzung der Projektförderung sollte daher die Raumförderung sein: Für Einzelkünstler:innen ist ein erschwinglicher Arbeitsort die Grundlage für künstlerisches Schaffen. Für gute Initiativ- und Vereinsarbeit ist ein Raum ein zentraler Anker, der über Projekte hinaus bestehen muss. Für künstlerische Produktionen und ergebnisoffene Vorhaben braucht es (teil-) ausgestattete Probe- und laborähnliche Räume.

Ideal arbeitet ein Raumförderprogramm inkl. der politischen Schnittstellen mit Fachverbänden und der Immobilienwirtschaft zusammen und garantiert so die Orientierung an tatsächlichen Bedarfen sowie eine langfristige Sicherung von Räumen.

Raumförderprogramme könnten Mieten anteilig oder vollständig mehrjährig fördern, es könnte Proben- und Aufführungsorte infrastrukturell ausstatten und langfristig sichern, oder auch andere Maßnahmen wie die Bürgschaft für Mietkaution oder die Übernahme von Kosten für Umbauten enthalten.

Raumförderprogramme sollten sich als Netzwerkknoten etablieren, so dass sie von unterschiedlichen Akteuren immer schon mitgedacht werden, z. B. bei der Planung von Neubauten durch die öffentliche Hand.